Über kulturelle Appropriation
„Cultural appropriation“, mit diesem zugegeben sperrigen Wort bezeichnet man die Aneignung von Elementen einer marginalisierten Kultur durch die dominante Kultur, ohne Wertschätzung und Verständnis.
Oscar Wilde sagte zwar einmal, dass Nachahmung die aufrichtigste Form der Schmeichelei ist, allerdings sollte man dieses Zitat nicht als Rechtfertigung für den verantwortungslosen Umgang mit fremdem Kulturgut heranziehen.
Leider ist auch Hula von kultureller Aneignung betroffen und zwar zunehmend auch in Deutschland.
Sich mit einer Kultur zu beschäftigen, die nicht die eigene ist, birgt inhärent die Gefahr des Missverstehens und ist immer eine Gradwanderung.
Achtsamkeit im Umgang mit Kulturgut, welches nicht das Eigene ist, sollte immer oberstes Gebot sein. Dazu gehört es, die eigenen Motive zu überprüfen.
Ist die Motivation, sich mit der fremden Kultur zu beschäftigen, hauptsächlich oder sogar ausschließlich eigennütziger Art, z.B.
- kommerzielles Interesse
- Geltungsbedürfnis
- eine Form der Selbsttherapie
dann liegt sehr wahrscheinlich ein Fall von „cultural appropriation“ vor.
Dies treibt beim Hula die seltsamsten Blüten. Da sieht man billige Karnevalskostüme als Auftrittsgarderobe, findet zweifelhafte Neuschöpfungen wie Hula Fitness, Hula Fusion oder Heil-Hula und man begegnet Unterrichtsangeboten von Menschen, die auf den Erfahrungsschatz eines 3-Stunden-Kompaktworkshops zurückgreifen können. Völlig unverständlich, sinnentleert und wertlos auch die Ausbildungsbescheinigungen und Zertifikate ausgestellt gegen Bargeld statt Fähigkeitsnachweis, von Dozentinnen, die niemals von einem hawaiischen Kumu zugelassen wurden, Unterricht zu erteilen. Eine liebe Freundin aus Bayern verglich das mit einem Schuhplattler-Diplom ausgestellt von einem Sizilianer.
Jenseits des Risikos, sich öffentlich lächerlich zu machen oder viel Geld in „den Sand“ zu setzen, besteht hier allerdings eine schwerwiegende Gefahr für die Würde dieses wertvollen Kulturgutes und der Menschen, die es ernsthaft praktizieren, wenn Hula falsch dargestellt und unangemessen weitergegeben wird.
Wie vermeidet man, sich der kulturellen Aneignung schuldig zu machen?
Indem man die eigenen Fähigkeiten, das eigene Wissen und die eigene Motivation kontinuierlich kritisch überprüft.
Und wie genau kann man vorgehen?
- Sich fragen, ob man dem Hula dient oder ob der Hula einem dient
- Sich von einem Kumu betreuen lassen
- Sich Feedback von anderen, fortgeschritteneren Hula Praktizierenden geben lassen
- Sich filmen und das Ergebnis mit Tänzern vergleichen, die auf hohem Niveau tanzen
- Quellenstudium betreiben, lesen, lesen, lesen – aber die relevanten Veröffentlichungen
- Dazu lernen, offen sein, sich selbst in Frage stellen
Und last but not least: Hula sein lassen, wenn man es nicht ernsthaft betreiben kann oder will.