190 Jahre Hula in Berlin
English summary: 190 years of Hula in Berlin
On September 14, 1824, the native Hawaiian Harry Maitey arrived aboard the „Mentor“ in Prussia. In October, the „Vossische Newspaper“ in Berlin reported on him and described the performance of a „hula noho“ (sitting hula). In honor of the first Hawaiiian in Germany the hula dancers of „No ka ho’omana’o ana ia Berlin“ („To commemorate Berlin“, inscription on the Turkish crescent, present for the Hawaiian King David Kalākaua on the occasion of the King’s visit to Berlin) therefore visited on August 2, 2014, Peacock Island, where Maitey had worked since 1830. With traditional chants, songs and dances they remembered the history of Hawaii and the connection of native Hawaiians with nature and their gods. A visit to the grave of Harry Maitey finished the first part of the day. In the afternoon, the group held its „hō’ike“ (Hawaiian: to show) on the former Berlin Tempelhof Airport. For „No ka ho’omana’o ana ia Berlin“ this is an important tradition, because King David Kalākaua at this location attended a parade when he visited Berlin in 1881.
„Wenn er zum Singen eingeladen wird, ziert er sich fast eben so sehr, wie unsere jungen Damen, und hat auch die andere böse Gewohnheit, daß man ihn, wenn er erst angefangen hat zu singen, gute Worte geben muß, ehe er aufhört. Beim Singen setzt er sich auf einen Stuhl, u. macht mit seinen Händen lebhafte Bewegungen, wobei es mir bemerkenswerth schien, daß er mit der rechten Hand sich oft an das Herz schlug, während er mit der Linken die rechte Seite nie berührte. Sein Gesang beschränkte sich auf vier bis fünf Töne, und die Worte schienen vornehmlich aus den Lauten ae, i, und o zu bestehen, seine Stimme hat nichts Schnarrendes, man könnte sie eine angenehme Tenorstimme nennen, doch machte der Vortrag des Gesanges mit diesen sonderbaren Bewegungen ganz den Eindruck, als ob man einen Irren sah.“ – In: Königlich priviligierte Berlinische Zeitung von Staats und gelehrten Sachen, Im Verlage Vossischer Erben. 245stes Stück. Montag, den 18ten Oktober 1824.
Diese bemerkenswerte Beschreibung läßt kaum einen Zweifel zu: Der erste Hula, dessen Aufführung vor 190 Jahren die Berliner Zeitung beschrieb, war ein sogenannter hula noho, der im Sitzen getanzt wurde (vgl. David A. Chappell: Double Ghosts: Oceanian Voyagers on Euroamerican Ships. M.E. Sharpe, 1997, S. 130).
Für die Hulatänzerinnen und -tänzer von „No ka hoʻomanaʻo ana ia Berlin“ war dies der Anlaß, vor ihrem hōʻike (hawaiisch: zeigen) am 2. August 2014 auf dem Tempelhofer Feld die Pfaueninsel zu besuchen, auf der Maitey ab 1830 arbeitete. Mit traditionellen Sprechgesängen, Liedern und Tänzen wurde an die Geschichte Hawaiis, die Verbundenheit der Hawaiier mit der Natur und ihren Göttern erinnert – und natürlich war auch ein hula noho dabei. Holo Ana ʻO Kalākaua, ein Tanz, der die Reise von König David Kalākaua um die Welt beschreibt, schlug dabei bereits die gedankliche Brücke zum Tempelhofer Feld. Als erster Monarch, der den Globus umrundete, besuchte der hawaiische König 1881 auch Berlin und nahm unter anderem eine Parade auf dem „Großen Feld“ ab, das damals vor den Toren der preußischen Hauptstadt als militärisches Übungsgelände und Paradeplatz diente.
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Anschließend besuchte die Gruppe das Grab von Harry Maitey auf dem Friedhof der Pfaueninsel nahe der Kirche St. Peter und Paul (Nikolskoe). Er ist hier gemeinsam mit seiner Frau Dorothea Charlotte Becker und seinen Schwiegereltern begraben und nach der im 19. Jh. üblichen Bezeichnung seiner Heimat in der Grabinschrift als Sandwichs-Insulaner Maiteÿ genannt. Im Frühjahr 2012 hatten einige Mitglieder der Gruppe gemeinsam mit ihrem kumu hula (Hula-Lehrer) aus Hawaiʻi das Grab ebenfalls besucht und erfahren, daß die Geschichte des ersten Hawaiiers in Deutschland in seinem Heimatland nur wenig bekannt ist, obwohl Anneliese W. Moore (* 1914 in Berlin-Tempelhof, † 11.02.2012 in Hawaiʻi) bereits 1977 einen ausführlichen Artikel im Hawaiian Journal of History veröffentlicht hatte. Deshalb wird „No ka hoʻomanaʻo ana ia Berlin“ die bemerkenswerte Geschichte des Hawaiiers weitererzählen, der an Bord des ersten preußischen Schiffs, das sowohl die Welt umrundete als auch Hawaiʻi besuchte, als Jugendlicher nach Berlin gelangte und knapp 48 Jahre hier lebte. Die wichtige Aufgabe der Hulatänzerinnen und -tänzer, Geschichten zu erzählen, die zum kulturellen Erbe gehören, wird so direkt erlebt und dabei erkennbar, wie Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft durch diese Traditionen miteinander verbunden sind. Auf dem Tempelhofer Feld hatten bereits ab Mittag fleißige Mitglieder der Gruppe einen kleinen Hügel für das hōʻike vorbereitet, so daß der von der Pfaueninsel eintreffende Teil schon von weitem den Schmuck der Fläche zwischen den Bäumen erkennen konnte. Eine kleine Verzögerung infolge nachdrücklicher Belehrungen herbeigeeilten Aufsichtspersonals über die zulässigen und unzulässigen Handlungen auf der „Tempelhofer Freiheit“ konnte die gute Stimmung nicht trüben und wurde mit viel Aloha in Kauf genommen.
Schließlich begannen die farbenfroh gekleideten Tänzerinnen und Tänzer mit E ho mai den formellen Teil der Vorführung, bei dem zunächst hula kahiko gezeigt wurde. Bei diesem Stil wird ein besonderes Protokoll mit einleitenden Liedern (oli) befolgt. Die Tänzer werden ausschließlich von traditionellen Instrumente wie ipu heke (aus Flaschenkürbissen) begleitet und nutzen manchmal zusätzlich Holzstäbe (kalāʻau), aufgespaltene Bambusstäbe (pūʻili) oder andere Rhythmusinstrumente. Der Tanz der kane (Männer), die den bereits erwähnten Kahiko Holo Ana ʻO Kalākaua („Kalākaua segelt “) mit kalāʻau vorführten, wurde von den Klängen der kāʻekeʻeke (Bambusstampfrohren) eindrucksvoll untermalt. Bereits vor Beginn des hōʻike hatten sich Zuschauer um die Tanzfläche versammelt und während des ersten Teils kamen weitere hinzu. In der folgenden Pause hatten sie Gelegenheit, sich nach der Herkunft der Tänze zu erkundigen, die so gar nicht zum Klischee der Fernseh-Südsee-Phantasien passen. Vielleicht haben einige Lust bekommen, die regelmäßig angebotenen Anfängerkurse zu besuchen?
Nachdem sich die Tänzerinnen und Tänzer gestärkt und die weniger formelle Kleidung für den hula ʻauana angelegt hatten, spielte sich auch die kleine Musikgruppe warm, die mit ʻUkulele, Gitarre und Baßgitarre den zweiten Teil begleiten sollte. Obwohl hula ʻauana den „modernen“ Stil bezeichnet, sind einige der überlieferten Lieder und Tänze inzwischen auch über einhundert Jahre alt und führen in die Zeit König Kalākauas zurück, der den Hula nach seiner weitgehenden Verdrängung aus der Öffentlichkeit energisch förderte und damit zu seiner Wiederbelebung beitrug. Wie lebendig diese Tradition heute wieder ist, zeigte ein erst vor weniger als zwei Jahren neu geschriebener Tanz zu Ehren von Mary und Sam Cooke, die besonders für die Erhaltung des Kūka‘ō‘ō Heiau im Mānoa-Tal gesorgt hatten (Mānoa Heritage Center).
Schließlich ging dieser Teil des hōʻike fließend in den zwanglosen über, bei dem große und kleine Gruppen von Tänzerinnen und Tänzern sowie Solisten ihre Freude am Hula tanzend zum Ausdruck bringen konnten. Beim Hukilau, einem sogenannten hapa haole hula mit englischem Text und vielen einzelnen hawaiischen Wörtern konnten die mittanzenden Zuschauer direkt erleben, wie eine Geschichte im Hula erzählt wird. Mit dem sich langsam feuerrot (ahi: Feuer) färbenden Abendhimmel und dem gemeinsam gesungenen Hawaiʻi Aloha endete ein ereignisreicher Tag:
A hui hou! (Auf Wiedersehen!)
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