Trauminseln und Inselträume (1)
Reisen zu den Inseln der Träume
Vor 200 Jahren, am 26. Oktober 1824, schrieb der Berliner Bildhauer und Zeichner Johann Gottfried Schadow unter eine seiner Zeichnungen: „Harry Sandwich Inseln. 26. octob. 1824.“ Wer war dieser „Harry“ und wo liegen eigentlich die „Sandwichinseln“? Soviel sei schon verraten: Harry war der erste Hawaiier, der in Preußen ankam und seine Heimatinseln sind heute als Hawaiʻi bekannt – nicht zu verwechseln mit Haiti in der Karibik.
Noch heute gehören Kauaʻi, Oʻahu, Maui und Hawaiʻi zu den Reisezielen, von denen viele Menschen träumen – aber oft heißt es dann auch: ich war noch niemals auf Hawaiʻi. Weder die Reiselust der Gegenwart noch schnelle Flugverbindungen lassen die Inselgruppe inmitten des Pazifiks so naherücken wie manche Inseln im Mittelmeer oder die Kanaren, die „Inseln des ewigen Frühlings“. Deshalb spielen Traumvorstellungen von der Südsee im allgemeinen und besonders von den Inseln Hawaiʻis bis in die Gegenwart in Musik, bildender Kunst, Zeitungsartikeln, Radio- oder Fernsehsendungen sowie anderen Bereichen der Kultur eine wichtige Rolle. Dies zeigen nicht nur Beispiele wie das Transparent „Visafrei bis Hawai“ auf einer Leipziger Monatsdemonstration 1989 oder „Traumschiff“-Episoden im Unterhaltungsfernsehen sondern auch Verweise auf die Trauminseln in Schlagertexten und Filmen.
Diese Traumwelten haben mehr als 200 Jahre alte Wurzeln. So spiegeln die Erzählungen von den paradiesischen Inseln seit dem 18. Jahrhundert in der deutschsprachigen Literatur Träume von einer besseren Welt und auch andere als geistige Sehnsüchte wider. Die Grundlage der Vorstellungen von der Südsee waren nicht nur die Berichte der französischen und englischen Expeditionen sondern auch das Buch „Johann Reinhold Forster’s Reise um die Welt während den Jahren 1772 bis 1775“ des preußischen Naturforschers Georg Forster (1754-1794). Dieser in zwei Bänden 1778 und 1780 erschienenen Übersetzung von “A Voyage Round the World“ (1777) folgte nur wenig später auch „Heinrich Zimmermanns von Wissloch in der Pfalz, Reise um die Welt, mit Capitain Cook“ (1781). An der dritten Südseereise des Captain Cook von 1776 bis 1779/1780 nahm auch der britische Maler John Webber (1751-1793) teil, der wegen seiner schweizerischen Herkunft manchmal Johann Wäber genannt wurde. Die Kupferstiche nach seinen Zeichnungen ergänzten die Texte des offiziellen Reiseberichts und sind bis heute wichtige historische Zeugnisse.
Für Deutschland, Österreich und die Schweiz hat Niklaus Schweizer in seinem Buch „Hawaiʻi und die deutschsprachigen Völker“ (1982) die Geschichte der Inselträume nachgezeichnet, die auch weitergeträumt wurden, als im 19. Jahrhundert mit dem internationalen Handels- und später auch Reiseverkehr die kulturellen Kontakte zunahmen.
Niklaus Schweizer war lange Jahre Honorarkonsul der Schweiz in Honolulu und lehrte ebenso an der University of Hawaiʻi at Mānoa wie die Germanistin Anneliese W. Moore. Die in Tempelhof geborene Berlinerin arbeitete während der Berliner Luftbrücke (1948-1949) als Sekretärin und Dolmetscherin in der U.S.-Wetterstation, wo sie den kalifornischen Meteorologen Paul Moore kennenlernte. Nach dem Ende der Luftbrücke heirateten die beiden und zogen direkt nach Honolulu.
Doch auch im fernen Hawaiʻi blieb Anneliese W. Moore der deutschen Sprache und Literatur verbunden. So wertete sie die Akten aus dem „Zentralen Staatsarchiv“ in Merseburg aus und veröffentlichte 1977 mit „Harry Maitey: from Polynesia to Prussia“ ihre Biografie über den ersten Hawaiier in Preußen im „Hawaiian Journal of History“. Dank der Arbeiten von Anneliese W. Moore und Niklaus Schweizer wurde nicht nur die Erinnerung an Reisen so berühmter Leute wie James Cook wachgehalten, sondern auch die spannende Lebensgeschichte des Harry Maitey, der als Jugendlicher nach Preußen kam und als Erwachsener auf der Pfaueninsel eine neue Heimat fand.
© CC BY-SA Thomas Tunsch (https://orcid.org/0000-0003-1644-8777), https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/legalcode.en
Abbildungsnachweis
Harry von den Sandwich-Inseln, en face und im Profil nach links (Ausschnitt, Akademie der Künste in Berlin: KS-Zeichnungen Schadow 974), Public domain, via Wikimedia Commons, https://w.wiki/BM$6
John Webber: A man of the Sandwich Islands dancing, Public domain, via Wikimedia Commons, https://w.wiki/BNFV
Johann Heinrich Wilhelm Tischbein: Georg Forster, Public domain, via Wikimedia Commons, https://w.wiki/BNDZ
Johann Georg Edlinger: Heinrich Zimmermann, Public domain, via Wikimedia Commons, https://w.wiki/BNDe
© CC BY-SA Thomas Tunsch / Aloha Festivals Floral Parade-Niklaus Schweizer (a0002608).jpg, CC BY-SA 4.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0>, via Wikimedia Commons, https://w.wiki/BNDi
Anneliese W. Moore: The Honolulu Star-Advertiser. „Anneliese W. Moore“. 16. Februar 2012, Star-Advertiser Obituaries. https://obits.staradvertiser.com/2012/02/16/anneliese-w-moore/.