Blick in den Thronsaal
“Mele O Ke Ke`ena Kalaunu” gewährt uns einen flüchtigen Blick in das Leben der letzten Königin des Inselreiches Hawai`i, Lili`uokalani, die ihren Thron 1893 unter Einwirkung eines Militärputsches verlor.
Den Umsturz hatten amerikanische Geschäftsleute angezettelt, die ihre wirtschaftlichen Interessen gegen die willensstarke Monarchin durchsetzen wollten. Im weiteren Verlauf des Coups wurde der Königin Hausarrest auferlegt, den sie für mehr als 2 Jahre im `Iolani Palast verbringen mußte. Hier befindet sich auch der Schauplatz des wunderschönen Liedes von Randie Fong, einer zeitgenössischen Komposition im Stil des Hula Ku`i der Kalakaua Ära.
In einer Art Tableau erscheint vor uns die blumen- und diamantengeschmückte Königin in ihrer seidenen Robe mit Schleppe auf einem kostbaren Perserteppich im Thronsaal.
Bei aller Pracht ist die detaillierte Beschreibung der Herrlichkeit dieses Anblicks kein Selbstzweck. Der Komponist übermittelt so vielmehr geschickt eine eindringliche politische Botschaft.
Der Duft der Rosen an Lili`uokalanis Schultern steht symbolisch für die Essenz ihrer unvergleichlich schönen Persönlichkeit, die Kränze sind eine Gabe der Verehrung ihrer Untertanen.
Im Bild des Diamantcolliers, welches wie Tautropfen im Regenwald glitzert, wird angedeutet, dass die Königin während ihrer Herrschaft neue westliche Einflüsse mit der alten Kultur zu vereinen wußte, hier repräsentiert von den Naturerscheinungen im Gefilde der alten Gottheiten.
So erinnert auch die seidene Schleppe ihres Gewandes an die Gezeiten des Meeres bei Hamohamo. In diesem Gebiet unweit des heutigen Kuhio Beach, besaß die Königin zwei informelle Ferienwohnsitze. Dort genoss sie unbeschwerte Tage, abseits der wechselhaften Gezeiten des Schicksals, die sie im `Iolani Palast ereilten.
Hier im Thronsaal des Palastes trat Lili`uokalani entschlossen auf, auf dem persischen Teppich, der hier wohl die diplomatische Bühne der westlichen Politik andeutet. Der aus Persien stammende Teppich ist dunkelblau,”uliuli”. Vermutlich ist die Farbe aus symbolischen Gründen gewählt, denn das Wort “uli” beinhaltet negative Konnotationen wie Unglück und Boshaftigkeit.
Was dann passiert, überrascht die Königin: Rufe ihrer Untertanen, die von draußen ertönen, lassen sie hochleben. Die enthusiastischen Bezeugungen erinnern uns an das berühmte “Steine-Esser” Lied Kaulana Na Pua von Eleanor Prendergast.
Die letzte Strophe ist ganz und gar vom Patriotismus des Komponisten durchdrungen, “Seine” Fahne ist die Flagge des Königreiches Hawai`i, nicht etwa das Star-Splangled Banner und sie weht über dem `Iolani Palast und nicht über dem weißen Haus. Der Lobgesang gilt Lili`u, der Königin des Volkes von Hawai`i und der Thronsaal ist ihr rechtmäßiger Platz.