Monja Hämmerle: Hula Tanz der Seele. Nur bedingt empfehlenswert

Ein Buch über Hula in deutscher Sprache ?  Was für eine schöne Idee, dachte ich spontan, als mir eine sympathische Schülerin davon erzahlte und kurz danach ihr Exemplar zum Lesen auslieh.

Der erste Blick auf’s Cover ließ mich jedoch Schlimmes ahnen. Wozu die Silhouette einer Tänzerin in einer für Hula völlig untypischen Pose ? Wozu die riesenhafte Plumeria-Blüte plus lila Hibiskus plus Palme plus verschnörkelte Schrift ?

Soviel vorab: Wer eine niedrige Toleranzgrenze für kitschige Layouts hat, wird das Buch nur unter großer Überwindung zu Ende lesen können. Bei mir war das Maß des Erträglichen spätestens dann erreicht, als die Hibiskusblüten-Frequenz den dreistelligen Bereich erreichte, also etwa nach der Hälfte der Seiten.

Nun soll man sich von Äußerlichkeiten nicht abschrecken lassen und ich wollte dieses Buch einfach gern haben, denn die Autorin schien mir Hula ehrlichen Herzens zu lieben, ein Gefühl, das uns verbindet. Wirklich loben muß ich ihre Beschreibungen der Tanztechnik. Auch zu Kultur und Geschichte Hawai´is liefert sie einige richtige und wichtige Informationen.

So ist es sehr schade, dass die vielen groben Vereinfachungen, unverständlichen Auslassungen und zum Teil haarsträubenden Fehler schnell zu Lesefrust führen.

Ich möchte einige konkrete Beispiele nennen, um das Ausmaß des Elends zu illustrieren (und bitte um Verzeihung dafür, dass ich die Kahako hier nicht korrekt abdrucken kann):

S. 11: das ´Okina wird nicht als Apostroph geschrieben, sondern als Hochkomma.

S. 23 : „Po“, die dunkle Nacht, ist in der alten Tradition Hawai`is sehr wohl potentiell negativ besetzt. Es ist die Zeit, in der die Menschen lieber im Haus bleiben, weil draußen die übernatürlichen Erscheinungen (night marchers, die“ huaka´i po“ etc.) besonders aktiv sind.

S. 25: Die hier aufgezählten Pflanzen werden auch als „canoe plants“ bezeichnet. Ob ein menschliches Überleben auch auf Basis der ursprünglichen endemischen Flora möglich gewesen wäre, ist nicht widerlegt. Die erfahrenen polynesischen Seefahrer waren klug genug, es nicht darauf ankommen zu lassen.

S. 26: diese stark vereinfachte Darstellung der Umstände, die zum Tode von Kapitän Cook geführt haben ist irreführend. Der Gott Lono war mit Nichten „verschollen“, sondern zeigte sich nur zu bestimmten Zeiten und aus einer bestimmten Richtung, Cook’s erste Anlandung entsprach in beiderlei Hinsicht dieser religiösen Erwartung. Auch ähnelten die Segel seines Schiffes den bei Lono-Zeremonien verwendeten tapa-bespannten Stäben. „Fehlverhalten“ auf Seiten der Europäer ist eine unerhebliche Wertung ihres Verhaltens. Was sich tatsächlich ereignet hat ist eine tragische Kette von kulturell begründeten Mißverständnissen. Zu diesem Thema gibt es eine  Fülle an Literatur.

S.27: Die stark verkürzte Darstellung des Endes des Kapu-Systems führt hier zu vermutlich nicht beabsichtigtem Zynismus „…die religiöse Lücke wurde erfolgreich von den christlichen Missionaren gefüllt…“. Etwas weiter unten vermisse ich die Erwähnung des Sandelholzhandels für die writschaftliche Entwicklung im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts.

S. 28: Prinzessin Ka´iulani gehörte nicht der Kamehameha Dynastie an. Wieso diese Dynastie endetet und warum ihr Onkel, David Kalakaua den Thron bestieg steht hier leider nirgends. „Pearl Harbor“ schreibt man übrigens ohne „u“ hinter dem „o“, da es sich hier um amerkanisches Englisch handelt. Kalakaua machte eine Weltreise nicht „als erster hawaiischer König überhaupt“, sondern als erster König der Welt.

S.36: Ka´ahumanu war nicht die Ehefrau von Liholiho, sondern die Witwe seines Vaters und Mitregentin.

S.38: Die interessanten Informationen , welche Hula Lehrer und Tänzer zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Renaissance der 1970 maßgeblich vorbereitet haben, bleibt die Autorin leider schuldig.

S. 45: Die übergeordnete Position von Kane, Lono, Ku und Kanaloa in der Hierachie der Gottheiten ist nicht klar zu erkennen. Dieses sehr wichtige Detail und andere wertvolle Einsichten in die alte Religion Hawai`s kann man nachlesen in: „Kingship and Sacrifice“ von Valerio Valeri (1985).

S.51: Das ´Okina ist kein „Knacklaut“, sondern vielmehr die Abwesenheit eines Konsonanten.

S.52: Das Kahako bezeichnet nicht einen betonten Vokal, sondern einen lang gesprochenen Vokal. Etwas weiter unten fehlt die Information, dass die Erfassung der Laute mit europäischen Buchstaben zur willkürlichen Repräsentation eines Lautes, der zwischen „k“ und „t“ liegt, fortan als „K“ zu schreiben.

S.70: Die Einteilung der Stilrichtungen in Kahiko und `Auana ist zwar heute sehr weit verbreitet, jedoch handelt es sich dabei nicht um traditionelle Begriffe. Hier wäre eine Erläuterung der Bezeichnungen „hula pahu“, „hula ala´apapa“ und „hula ´olapa“ angebracht.

S. 72: Der „haku lei“ heißt richtig „lei haku“, da die hawaiische Grammatik vorsieht, dass das Adjektiv dem Substantiv folgt. Der Begriff bezeichnet die Machart des Lei, nicht den Körperteil, an dem er getragen wird.

S.92: Die Aufforderung, die abgedruckte Choreogrfie zu irgendeinem Lied zu tanzen, dessen Musik einem gefällt, mißachtet die essentiellen Grundlagen des Hula.

S. 96: Wieso erscheinen einige Instrumente in Groß- und einige in Kleinschreibung ?

S.100: Als Hulatänzer trägt man nicht „ein Kupe´e“, sondern 4 Stück davon, es sei denn man ist bedauernswerter Weise dreifach amputiert.

S.105: Die hier erwähnte Reihenfolge für das Anlegen von Lei deutet an, dass die Autorin nicht mit dem dafür geltenden Protokoll vertraut ist. Was an sich nicht schlimm ist. Nur eben dann, wenn man ein Buch darüber schreibt.

S. 119: Ein „Ho´i“ ist kein „Chant, der beim Betreten der Bühne gesungen wird“, sondern ein Abgangstanz zum Verlassen der Bühne, also das genaue Gegenteil.

S.121: Ein „´Oli“ ist ein Gesang, kein gesprochenes Gebet. Das wäre ein „Pule“. `Oli kann, aber muß kein Gebet sein.

S.123: Die korrekten Domains lauten www.wehewehe.org und www.huapala.org, nicht .com. Jemand, der diese wichtigen Ressourcen regelmäßig nutzt, wird diesen Fehler kaum machen.

S. 124: Die mageren Quellenangaben unterstützen die Vermutung, die sich bei der Lektüre aufdrängt: die Autorin hat wohl wenig gelesen und davon auch nicht alles verstanden.

Zumindest die Passagen unfreiwilliger Komik sind unterhaltsam:

S.51: „Für alle Deutschsprachigen ist die Ausspracherelativ einfach, weil Hawiisch so gesprochen wie geschreiben wird.“ Aha. Wenn das das Kriterium für die einfache Aussprache ist, warum ist diese dann nur für Deutschsprachige einfach ?

S. 52: „Um uns Hawaiisch anzueignen,, müssen wir vermutlich lernen, ganz anders zu denken.“ Hallelujah, ein Lichtblitz der Erkenntnis!

S. 12: „Alles, was ich wissen wollte, mussste ich mir mühsam zusammensuchen und aus englischen Texten übersetzen.“ Unerhört! Unfassbar, dass Recherche mühsam und zeitaufwändig ist und man die Sprache beherrschen sollte, in der die Quellen und die wichtigste Sekundärliteratur verfasst ist!

Ganz und gar nicht zum Lachen finde ich die Verwendung von rassen-ideologischer Terminologie aus dem letzten Jahrhundert („Eingeborener“ und „reinblütig“). Das ist überholt, unsensibel und total uncool.

Und bitte ein für allemal notieren: „Huna“ ist keine traditionelle Philosophie aus Hawai`i, sondern ein fantasievolles Gedankenkonstrukt weißer Amerikaner aus der zweiten Hälfte des  20. Jahrhunderts. Sie bedienten sich nicht nur am kulturellen Schatz Hawai´is, sondern auch in Indien und Afrika und verdienen seitdem ein Vermögen an den zahlreichen – ebenfalls weißen – Jüngern dieser New Age Spielart.

Etwas weniger esotherische Nabelschau („was ich fühle, wenn ich Hula tanze“), dafür etwas ernsthaftere Beschäftigung mit wissenschaftlich anerkannter Lektüre zum Thema und das Ziel, hula-interessierten Neulingen einen Leitfaden in deutscher Sprache an die Hand zu geben hätte klappen können.

So kann ich dieses Buch nur Lesern empfehlen, die keinen Internetzugang haben oder weder Englisch noch Hawiisch lesen können.

Und solchen mit einem unstillbaren Verlangen nach lila Hibiskusblüten.

 

 

 

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